Es ist überall in der Stadt guter Brauch am 9. November, dem Tag der Reichspogromnacht, die „Stolpersteine“ zu putzen. Es handelt sich um Messingplatten auf Bürgersteigen und vor Häusern, in die Namen jüdischer Mitbürger eingraviert sind. Sie lebten hier, bis sie in der NS-Zeit deportiert und umgebracht wurden. Von der SPD-Bellevue machten sich in diesem Jahr Uli Bieler, Waltraud Luschny und Manuel Rojas auf den Weg zum „Stolpersteine putzen“.

An der Lessingstraße/Ecke Flensburgerstraße entdeckte Uli noch etwas anderes: eine große Metallplatte, die auf einem Rasenstück vor einem typischen Hansaviertel-Wohnhaus im Boden verankert ist. Der wegen starker Verschmutzung schwer lesbare Text darauf wies diese Stelle als den Standort einer ehemaligen Synagoge aus. Am 6.9.1898 wurde sie eingeweiht, in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 geplündert und zerstört. So gut, wie es ging, haben wir sie gereinigt.

Auf der anderen Straßenseite der Flensburger Straße fanden sich zwei „Stolpersteine“, auf denen die Texte ebenfalls wegen Verschmutzung nicht mehr lesbar waren. Nach längerem Schrubben mit der Bürste traten die Namen ans Licht: zwei Schwestern hatten hier gleich gegenüber der Synagoge gewohnt, Felice und Lina Schindler. Die ältere, Felice, wurde am 15.8.1942 nach Riga deportiert und ermordet. Ihre Schwester Lina wurde am 12.3.1943 abgeholt, nach Auschwitz deportiert und einen Monat später ermordet.

Das sind die Geschichten, die uns die Stolpersteine erzählen. Hier kann man sie jetzt wieder lesen. Und auf der anderen Seite bleiben auch zwei Leute vor der geputzten Metallplatte stehen. Vielleicht lesen auch sie – so wie wir – an diesem Tag zum ersten Mal, dass hier eine Synagoge stand.

Kategorien: Berlin

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