Sonja Kreitmair
Vom alten Hansaviertel – einst von der Hamburger Baugesellschaft „Hansa“ gegründet, mit Villen und Vorgärten gutbürgerlicher Unternehmer, Künstler und Rentiers – ist im Zweiten Weltkrieg nicht viel übriggeblieben. Aber es ist 1957 mit der Internationalen Bauausstellung wieder erstanden, als Schmuckstück und Vorzeigeviertel des freien Westens in der Konkurrenz zum sozialistischen Osten Berlins und dessen Stalinallee (heute: Karl-Marx-Allee bzw. Frankfurter Allee). Das Viertel sollte – zusammen mit dem östlichen Pendant – Weltkulturerbe werden, was aber leider nicht geglückt ist.
Und nun? Wer hier wohnt, will nicht wieder weg und trachtet danach, seine Kinder und Enkel hier heimisch werden zu lassen. Es ist nicht leicht, hier eine Wohnung zu ergattern. Scharen von Tourist:innen kommen an und lassen sich vom Bürgerverein Hansaviertel e.V. die Entstehungsgeschichte und Architektur des Viertels zeigen. Stadt, Bezirk und auch der Bürgerverein bemühen sich darum, wenigstens den Titel „Europäisches Kulturerbesiegel“ zu erlangen.
Aber dem Viertel geht es nicht so gut. Die Gebäude des neuen Hansaviertel, von 53 Architekten aus 13 Ländern geplant und umgesetzt, werden zwar nacheinander denkmalgerecht restauriert. Aber das ist schwierig, weil zeitgemäße energetische Vorschriften und Rollstühle nicht einfach mit den Fenstern der 50er Jahre und deren engen Fahrstühlen in Einklang zu bringen sind. Nicht nur die Gebäude sind denkmalgeschützt, auch der gesamte Freiraum. Einst als offener Freiraum geplant, in dem Gartenflächen oder -Höfe kaum Bedeutung hatten und Grundstücksgrenzen nicht etwa durch Baumpflanzungen, Hecken oder Zäune sichtbar wurden, zeigen sich heute aufgrund von Aufwuchs der Bestandsbepflanzung, Wildwuchs sowie ungeplante Nachpflanzungen sichtbare Grenzen. Die vielfältige Eigentümerstruktur zeigt sich auch daran, dass sich neben der sorgfältig restaurierten Pergola auf dem Hansaplatz vor sich hin rottende Teile befinden. Es fehlen ordnende Hände und vor allem auch die öffentliche Hand, die weder mit Engagement noch mit Geld dem Viertel eine Perspektive bietet.
In der Bezirksverordnetenversammlung Berlin-Mitte stapeln sich schon die Anfragen und Beschlüsse: Wann werden die Pergola restauriert und der Rasen saniert? Wo ist ein Gesamtkonzept für mehr Aufenthaltsqualität am Einkaufszentrum und den umliegenden Freiflächen? Weshalb gibt es den runden Tisch nicht mehr, mit dem Anwohner:innen zusammen mit den Gewerbetreibenden und Kulturinstitution (Grips Theater, Akademie der Künste), Bezirk und Polizei für mehr Sauberkeit und Sicherheit sorgen wollten? Die Polizei ist öfter mal hier, weil Passant:innen angepöbelt und beleidigt werden und es auch – wie kürzlich geschehen – zu Schlägereien kommt. Die SPD-Mitte und insbesondere auch deren Abteilung Bellevue, zu der auch das Hansaviertel gehört, hat sich schon seit Jahren für mehr Engagement der Stadt und des Bezirks im Hansaviertel eingesetzt. Auf ihrer Konferenz Ende März 2025 hat sie erneut die Verantwortlichen im Bezirk, im Senat und Abgeordnetenhaus aufgefordert, sich intensiver um die Belange des Hansaviertels zu kümmern, um die Vernachlässigung des öffentlichen Raums zu beenden und Angsträume zu beseitigen. Den Beschluss kann man hier nachlesen.