Joanna LaTorre

Viele ältere Genossinnen und Genossen antworten auf die Frage, warum sie in die SPD eingetreten sind: „Wegen Willly Brandt“. Auch für Joana Latorre (61) war Willy ein wichtiger Politiker („der Held meiner Kindheit“); aber ausschlaggebend für ihren Eintritt in die Partei war ein anderer: Oskar Lafontaine. Seine Unterschrift im roten Parteibuch am 14.4.1987 bescheinigt ihre Mitgliedschaft. Lafontaine war Landesvorsitzender im Saarland und seit 1985 Ministerpräsident.

man achte auf die Unterschrift!

Joana studierte zu der Zeit Sprach- und Übersetzungswissenschaft für Deutsch, Spanisch und Französisch in Saarbrücken. Sie erlebte, wie sich das Saarland unter Lafontaines Regentschaft „total veränderte“. Sie sah in ihm „einen brillanten Kopf, analytisch hervorragend, der die Dinge auf den Punkt brachte. Er hat nicht nur gequatscht, sondern gemacht. Er hat Schwung ins Land gebracht mit Kunst und Festivals – auch internationale -; mit dem Empowerment von jungen Menschen, dem Zusammenbringen von Kultur und Wissenschaft.“ Die SPD Saarland habe sie „politisch geprägt“, sagt Joana Latorre heute noch.

Saarbrücken, eine von vielen Stationen in ihrem Leben. Allerdings waren es Orte mit dem Anfangsbuchstaben „B“, die „eine besondere Rolle in meinem Leben gespielt“ haben, betont sie. So wie Barcelona, die Heimatstadt ihrer Eltern, wie Boston und Budapest, Städte, die sie bereist hat, bis zu ihrer „Herzensstadt“ Berlin. Dass diese Stadt „meine Heimat“ ist, spürte sie schon beim ersten Besuch im November 1979. Es sollte dann aber noch bis 2007 dauern, bis sie endlich – auch formal – Berlinerin wurde.

Joana Latorre ist Kind einer Gastarbeiterfamilie. Wie heute wurden in den späten 1950er und 60er Jahren Facharbeiter gesucht. Als Spitzendreher kam ihr Vater 1958 nach Düsseldorf zu Mannesmann. Es gab eine Werkswohnung in Düsseldorf-Rath, firmeneigene Kindergartenplätze, kostenloses Essen. „Facharbeiter wurden hofiert“, erinnert sich Joana. „Man konnte sich was leisten, und wir hatten nicht das Gefühl unterprivilegiert zu sein, weil wir Gastarbeiter waren, sondern wir waren stolz darauf!“ 1972 wurde die Familie in Deutschland eingebürgert.

Wie schon in Barcelona war Joanas Vater auch in der Bundesrepublik Deutschland Gewerkschafter, und habe immer die SPD gewählt, glaubt sie zu wissen. Die Diskussionen mit dem Vater hatten großen Einfluss auf ihre politischen Überzeugungen. Nicht nur intellektuell, auch sinnlich fühlt sie bis heute noch eine Verbundenheit zu ihm und seinem Milieu. Ausgelöst wird das unter anderem durch den Geruch von Maschinenöl, den er oft mit nach Hause brachte. „Wenn ich heute an entsprechende Produktionsstätten komme“, sagt Joana, „denke ich sofort wieder an Papa.“

Es sind viele unterschiedliche Stränge, die sich zu ihrem persönlichen Lebensweg miteinander verbanden (zu viele für einen Artikel!). Für die berufliche Entwicklung der Diplomübersetzerin und Dolmetscherin war die Sprachbegabung der Grundstein. Heute ist die Tochter des Gewerkschafters an der „Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin“ Vorsitzende des Personalrats.

Sich für andere einzusetzen, das war immer schon wesentlicher Bestandteil ihrer politischen Arbeit. Dabei ist das Engagement für Alleinerziehende mit den Jahren „zu meinem Hauptthema geworden“, unterstreicht Joana.

Nach einer Ehescheidung als Mutter dreier Kinder war sie selbst betroffen von den Problemen, denen sich Alleinerziehende gegenüber sehen. Als Vorsitzende der ASF (Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen) im Bezirk Berlin-Mitte machte sie dieses Thema zu ihrem Schwerpunkt. Dass es heute in den Berliner Bezirken Beratungsstellen für Alleinerziehende gibt, nennt sie als einen der Erfolge dieser Arbeit. Auch dass es seit drei Jahren den „Internationalen Tag der Alleinerziehenden“ gibt, gehe auf eine Initiative von ihr und einer ehemaligen Genossin zurück.

Erziehung ist Leistung an der Gesellschaft, die viel stärker anerkannt werden muss,“ sagt Joana. „Auch monetär und im Steuersystem wie in der Rente. Wir müssen auf diesem Gebiet vom Bestrafungssystem zum Belohnungssystem kommen.“

Einmal im Monat steht sie mit Mitstreiter:innen auf dem Berliner Alexanderplatz unter der Weltzeituhr, um für diese Ziele zu demonstrieren. Am 28. September dieses Jahres hofft sie von 17 bis 20 Uhr auf besonders viele Teilnehmer, denn der „4. Internationale Tag Alleinerziehender“ soll gefeiert werden. „Wir feiern uns selbst, weil uns niemand feiert“ – steht auf dem Flyer, der im Vorfeld verteilt wird. Darin werden 20 konkrete Forderungen aufgeführt, die sich in der Summe wie das Programm für eine gerechte Gesellschaft lesen.

Bei den Genossinnen und Genossen der SPD-Bellevue ist sie bereits auf reges Interesse an ihrem „Hauptthema“ gestoßen. Und wer weiß, was daraus nun wieder werden wird …

Kategorien: Ich bin dabei!

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